Kontakte zwischen Elternteil und Kind sind ein Menschenrecht – Einschränkungen nur in Ausnahmefällen 

Ein Vater beantragte beim Gericht die Regelung des Kontaktrechts (früher: „Besuchsrecht“) zu seiner zehnjährigen Tochter, worauf die Mutter die Aussetzung des Kontaktrechtes der gemeinsamen Tochter zum Vater beantragte, weil die Tochter ihren Vater nicht sehen wolle und die Kommunikation zwischen den Eltern sehr schlecht sein, es würde seit der Geburt der Tochter keine Gesprächsbasis zwischen den Eltern bestehen. Die Eltern einigten sich dann bei Gericht auf ein Kontaktrecht des Vaters zu seiner Tochter. In der Folge hielt sich der Vater nicht an die Kontaktrechtsvereinbarung, indem er einen unbegleiteten Kontakt mit seiner Tochter herbeigeführt habe (vereinbart war nämlich nur ein begleitetes Kontaktrecht).

Die Tochter gab dann zu einem späteren Zeitpunkt an, dass sie ihren Vater nicht mehr sehen und auch bei ihm nicht mehr übernachten wolle, wobei sie sich zu einem späteren Zeitpunkt wieder vorstellen könne, Kontakte zu ihrem Vater zu haben.

Der österreichische Oberste Gerichtshof hielt dann Folgendes fest:

  1. Das Recht auf persönlichen Kontakt eines Elternteils zu seinem Kind ist als „Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung“ ein unter den Schutz der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art 8 EMRK) fallendes Menschenrecht. Zweck ist, die Bindung zwischen Eltern und Kindern aufrechtzuerhalten, eine Entfremdung des Kindes von einem Elternteil zu verhindern und dem nicht betreuenden Elternteil zu ermöglichen, sich von der Erziehung des Kindes und dessen Gesundheitszustand zu überzeugen.
  2. Zum Thema Entfremdung hat der Oberste Gerichtshof ganz klar festgehalten, dass auch eine bereits eingetretene Entfremdung des Kindes von einem Elternteil kein Grund ist, die Ausübung des Kontaktrechts zu versagen. Vielmehr soll durch das Kontaktrecht die bereits eingetretene Entfremdung wieder abgebaut werden.
  3. Nur dann, wenn das Kontaktrecht zu einem Elternteil dem Kind sehr wahrscheinlich schaden würde (sog. Kindeswohlgefährdung), kann das Kontaktrecht eingeschränkt oder gar ausgesetzt werden. Dies soll jedoch die Ausnahme sein.

Wille des minderjährigen Kindes nicht alleine entscheidend – Keine Aussetzung des Kontaktrechts zum minderjährigen Kind alleine aufgrund dessen Wunsch

Zur Frage, inwieweit der Wille eines Kindes für die Frage des Kontaktrechts entscheidend ist, hielt der Oberste Gerichtshof fest, dass der Wille des Kindes zwar ein wichtiges, jedoch nicht allein entscheidendes Kriterium ist, da dieser nicht selten beeinflusst ist und Schwankungen unterliegen kann. Ein unmündiges Kind sei aber typischerweise nicht in der Lage, rational zu beurteilen, welche konkrete Ausgestaltung seiner zukünftigen Beziehungen zu den beiden Elternteilen für seine Entwicklung am Günstigsten ist. Je älter andererseits ein Kind ist, desto eher wird seinem Wunsch zu entsprechen sein. Daher: Nur der Wunsch der zehnjährigen Tochter, ihren Vater nicht mehr zu sehen, berechtigt nicht zur Aussetzung des Kontaktrechts, weshalb der Oberste Gerichtshof dem Erstgericht auftrug, neuerlich zu entscheiden.

Fazit

Die in Obsorgestreitigkeiten und Kontaktrechtsverfahren öfter anzutreffende Begründung eines Elternteils, das minderjährige Kind wolle den anderen Elternteil nicht sehen, ist kein Grund dafür, dem anderen Elternteil das Kind vorzuenthalten. Vielfach steckt hinter dem vermeintlichen Willen des Kindes der Versuch des betreuenden Elternteils, das Kind vom anderen Elternteil zu entfremden. Dieses Vorgehen, darf nicht dadurch „belohnt“ werden, dass in der Folge Kontakte zwischen dem Kind und dem nicht betreuenden Elternteil als nicht mehr dem Kindeswohl entsprechend gesehen werden, weil ja bereits eine Entfremdung eingetreten sei. Vielmehr dürfen Kontakte zwischen dem nicht betreuenden Elternteil und dem Kind nur dann eingeschränkt oder ausgesetzt werden, wenn die Kontakte eine Kindeswohlgefährdung nach sich ziehen würden.

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